/ EINE VERNACHLÄSSIGTE KRANKHEIT

 

Noma ist eine vernachlässigte Krankheit und betrifft vor allem Menschen in Armut. Es ist eine infektiöse, aber nicht ansteckende bakterielle Erkrankung, die als Zahnfleischentzündung beginnt, so ähnlich wie ein kleines Geschwür im Mund. Die Infektion zerstört sehr schnell Knochen und Gewebe und befällt Kiefer, Lippen, Wangen, Nase - je nachdem wo die Infektion beginnt.

 
 

Es dauert nur wenige Tage bis Noma in den Gesichtern der Überlebenden zu starken Entstellungen führt. Die Entstellungen erschweren es, zu essen, zu sprechen, zu sehen, zu atmen. Zusätzlich leiden Überlebende unter Stigmatisierung.

An Noma erkranken vor allem Kinder unter sieben Jahren. Armut und ein schwaches Immunsystem sind die Hauptauslöser der Infektion, die zu Noma führen. Kinder mit Mangelernährung, schlechter Zahnpflege und Krankheiten wie Masern oder Malaria sind besonders anfällig.

Menschen, die Noma überleben, haben nur eine Möglichkeit auf ein besseres Leben: Sie müssen sich einer umfangreichen rekonstruktiven Operation unterziehen.

Wie viele Menschen sterben an Noma?

 
Bis zu
90%

der an Noma Erkrankten sterben in den ersten zwei Wochen, wenn sie nicht rechtzeitig mit Antibiotika behandelt werden. Deshalb sind Früherkennung und Sensibilisierung für diese Krankheit, von der jedes Jahr schätzungsweise 140.000 Kinder betroffen sind, so wichtig. *

 
 

*Diese Zahlen sind eine Schätzung, die die Weltgesundheitsorganisation (WHO) im Jahr 1994 vorgenommen hat. Die Tatsache, dass diese Daten seit mehr als 25 Jahren nicht mehr aktualisiert wurden, zeigt, wie vernachlässigt diese Krankheit und ihre Überlebenden sind.


Wo kommt Noma vor?

 

Am weitesten verbreitet ist Noma in einkommensschwachen Gebieten in Afrika und Asien. Noma war früher in Europa weit verbreitet, verschwand aber, als sich die Lebensbedingungen und der Zugang zur Gesundheitsversorgung verbesserten.

Die Krankheit wurde erstmals von Hippokrates im fünften Jahrhundert v. Chr. beschrieben. Die erste medizinische Beschreibung von Noma stammt aus dem Jahr 1595. Damals wurde sie als „Wasserkrebs“ bezeichnet. In Europa wurden während des Zweiten Weltkriegs auch Fälle in Konzentrationslagern gemeldet.


Was sind die Symptome?

 

Noma beginnt mit Gingivitis, einer Entzündung und Blutung des Zahnfleischs. In drei oder vier Tagen bildet sich ein Geschwür und Zahnfleisch und Wange beginnen anzuschwellen. Bevor eine Woche vergangen ist, hat die Krankheit das Wangengewebe so stark zerfressen, dass ein Loch entsteht. In den folgenden Tagen breitet sich die Infektion aus und je nachdem, wo die sie begonnen hat, zerstört sie schnell den Kiefer, die Lippen, die Wangen, die Nase oder die Augen.

 

 

Ist Noma vermeidbar und behandelbar?

 

Noma ist auf jeden Fall vermeidbar, aber nur, wenn die Krankheit selbst und die Behandlungsmaßnahmen bekannt sind. Ausgewogene Ernährung, Zahnpflege und Zugang zu medizinischer Versorgung und Impfungen gegen Kinderkrankheiten helfen, Noma zu vermeiden.

Noma ist behandelbar, wenn die Krankheit in den ersten Wochen erkannt und behandelt wird. Mit grundlegender Zahnpflege, Antibiotika und Wundbehandlung können Patient*innen in wenigen Wochen vollständig genesen. Andere Risikofaktoren, wie Mangelernährung oder Masern müssen bei einer Therapie ebenfalls berücksichtig werden.

 

 

Wenn Noma behandelbar ist, warum sterben Menschen daran?

 

Menschen sterben an dieser leicht vermeidbaren und behandelbaren Krankheit aufgrund mangelnden Wissens. Die Früherkennung ist gering und wenn Noma einmal ausgebrochen ist, können sich viele Familien die Antibiotika-Behandlung nicht leisten. Die meisten Menschen mit Noma leben in armen und abgelegenen Gegenden, in denen der Zugang zu medizinischer und zahnmedizinischer Versorgung fast nicht vorhanden ist.

Über Noma ist wenig bekannt. Es entwickelt sich schnell, sodass die Eltern eines Kindes mit Noma die Krankheit meist nicht rechtzeitig erkennen. Sie suchen Hilfe in ihrer Gemeinde oder bei traditionellen Heiler*innen und verlieren dabei wertvolle Zeit und die Möglichkeit, die Infektion richtig zu behandeln.



 

Sufyanu, vor und nach Noma

Sufyanu ist drei Jahre alt und lebt in einem Dorf im Staat Sokoto, Nigeria. Als er das erste Mal im Sokoto Noma Krankenhaus ankam, war er bereits akut krank und sein Gesicht war entstellt. Außerdem war er mangelernährt, einer der Hauptfaktoren, die zu Noma führen.

Sufyanu wurde auf der Ernährungsstation behandelt: Er bekam Antibiotika und seine Wunden wurden gereinigt und verbunden. Als er wieder zu Kräften kam, wurde er entlassen und durfte zurück nach Hause. Sufyanu wird warten müssen, bis er älter ist, bevor er eine rekonstruktive Operation an seinem Gesicht vornehmen lassen kann.

Als Sufyanu das erste Mal im Krankenhaus ankam, wurde er auf der Ernährungsstation behandelt; er bekam Antibiotika und seine Wunden wurden gereinigt und verbunden.
Sufyanu erholte sich im Krankenhaus, wo er und seine Familie andere Patient*innen mit Noma trafen. Die Familie wird zurückkommen, wenn Sufyanu alt genug für die Operation ist.

Der Weg der Patient*innen: von der Infektion bis zur Behandlung

 

Noma-Patient*innen leben in abgelegenen und extrem armen Gegenden und sind schwer zu finden. Für einige ist es fast unmöglich, eine Klinik oder ein Krankenhaus zu erreichen - sie können Hunderte von Kilometern entfernt sein. Selbst wenn die Menschen leichten Zugang zu lokalen Kliniken haben, haben sie oft nicht das Geld, um die medizinische Versorgung zu bezahlen.

Timeline

Februar 17

1. Erste Anzeichen

1. Erste Anzeichen

Das Kind ist müde und will nicht essen. Es verliert an Gewicht, wird jeden Tag schwächer und hat Fieber. Die Eltern können jedoch nicht helfen, wenn sie die Krankheit, die ihr Kind angreift, nicht erkennen können.

Februar 17

2. Appell an die Gemeinschaft

2. Appell an die Gemeinschaft

Sie suchen Rat in ihrer Gemeinde. Wenn niemand weiß, was mit dem Kind passiert, werden oftmals traditionelle Heilmittel vorgeschlagen. Wenn sich die Krankheit dann weiter ausbreitet und mehr sichtbare Wunden erscheinen, wird das Kind oftmals aus Angst vor weiteren Ansteckungen isoliert.

Februar 17

3. Traditionelle Heiler*innen

3. Traditionelle Heiler*innen

Das Kind kann an traditionelle Heiler*innen überwiesen werden, die versuchen, es mit Naturheilmitteln zu behandeln. Sie funktionieren nicht, denn nur Antibiotika können die schnelle Ausbreitung der Krankheit stoppen. Der Zustand des Kindes verschlechtert sich.

Februar 17

4. Erreichen der nächstgelegenen Klinik

4. Erreichen der nächstgelegenen Klinik

Die Eltern gehen mit ihrem Kind in die nächste Klinik, die mehrere Kilometer von ihrem abgelegenen Dorf entfernt sein kann; Bis sie das Krankenhaus erreichen, können mehrere Tage vergehen. Dort angekommen, stehen sie vor zwei neuen Hindernissen: dem mangelnden Wissen über Noma und den Kosten für die Behandlung. Wenn sie die Antibiotika bezahlen können und die Krankheit richtig diagnostiziert wird, wird das Kind wieder gesund. Wenn nicht, müssen sie nach Hause zurückkehren, ohne dass ihrem Kind geholfen wurde. Dass das Kind innerhalb der nächsten Tage stirbt, ist sehr wahrscheinlich.

Februar 17

5. Ankunft im Krankenhaus

5. Ankunft im Krankenhaus

Wenn es zur Aufnahme in ein Krankenhaus kommt, erhält das Kind Antibiotika und eine Ernährungsbehandlung, um den Zustand zu stabilisieren und Kraft aufzubauen.

Februar 17

6. Die Behandlung

6. Die Behandlung

Die Wunden des Kindes werden verbunden und die Ärzte prüfen, ob das Kind ein Kandidat für eine rekonstruktive Operation ist. Da die Wunden komplex sind und sich mit der Zeit verändern, müssen kleine Kinder warten, bis sie älter sind, bevor sie operiert werden können.

Nach ein paar Wochen war Mohammeds Gesicht durch Noma zerstört. Er kam schwer mangelernährt ins Krankenhaus, weil es ihm zu schwer fiel, zu essen.
 

Mohammed – wenn die Behandlung zu weit weg ist

 

Grema lebt mit seiner Familie in einer Stadt im Bundesstaat Yobe, Nigeria. Als sein kleiner Sohn Mohammed krank wurde, wussten sie nicht, dass es Noma war, und sie wussten nicht, wo sie Hilfe finden konnten. Schließlich erzählte ihnen jemand von einem Krankenhaus in der Stadt Sokoto, wo Patient*innen eine kostenlose medizinische Behandlung für Noma erhalten können. Nach einer zweitägigen Reise kamen sie dort an, aber es war zu spät. Das Gesicht des kleinen Mohammed war bereits entstellt und in einem besorgniserregenden Zustand, weil er mangelernährt war.

 
 
Grema zeigt ein Foto seines gesunden Sohnes Mohammed, bevor er mit Noma diagnostiziert und durch die Krankheit entstellt wurde.

Fußnoten: Zeichnungen & Infografiken von Chloé Fournier / Fotos & Videos von Claire Jeantet & Fabrice Caterini © Inediz – Alle Rechte vorbehalten